Die Auszeichnung „Sportler mit Herz“ beim Deutschen SportpresseBall wird nicht für Siege und Rekorde, sondern vor allem für berührende Menschlichkeit, Fairness und Engagement verliehen.
FRANKFURT – Es gibt Sportkarrieren, die uns begeistern. Und es gibt Sportkarrieren, die uns nicht nur begeistern, sondern auf eine besondere Art berühren. Weil sie von überragenden Stärken, aber auch menschlichen Schwächen erzählen. „Angelique Kerber ist eine der weltbesten Tennisspielerinnen dieser Zeit. Mit ihr hat der deutsche Sport eine wunderbare Repräsentantin geschenkt bekommen, die weltweit offene Sympathiebekundungen sammelt, weil man bei ihr auch immer den Menschen spürt“, sagt Ball-Organisator Jörg Müller, „ihr Sieg in Wimbledon in diesem Sommer ist die krönende Belohnung für ihren beeindruckenden Mut zur Veränderung nach einer schwierigen Phase.“
Mit 15 Jahren spielte die Kielerin ihre erste Profi-Saison, mit 19 stand sie unter den Top 100. Die Saison 2011 war bereits als verkorkst abgehakt, als sie bei den US Open das Halbfinale erreichte. Ein erster Wendepunkt. Im Februar 2012 dann endlich der erste WTA-Turniersieg, später verpasste sie nur knapp das Finale von Wimbledon. Talent, Trainingsfleiß, Potential, Umfeld – alles war da, nur das Nervenkostüm bestand nicht immer die Zerreißprobe. So bravourös Kerber viele Matches gewann, so unglücklich scheiterte sie oft in der ersten Runde. 2015 verspielte sie beim Tour-Finale in Singapur den schon sicher geglaubten Einzug ins Halbfinale. Der nächste Wendepunkt. „Nie wieder“, schwor sie sich damals. Zwölf Monate später war sie zweifache Grand-Slam-Siegerin (Australian Open und US Open), Silbermedaillengewinnerin von Rio de Janeiro und Weltranglistenerste.
Bei Angelique Kerber hat man trotz der ganzen Aufmerksamkeit nie das Gefühl, dass sie sich in den Vordergrund drängt. Sie möchte in erster Linie durch ihre beruflichen Erfolge wahrgenommen werden und nicht durch den Boulevard. Das Publikum liebt sie trotzdem oder gerade deshalb. „Kerber ist eine verdammt gute Tennisspielerin, die das Publikum auf dem Platz unterhält und nicht abseits davon“, schreibt Jürgen Schmieder in der Süddeutschen Zeitung.
Doch eine verdammt gute Tennisspielerin muss sich heutzutage auf zahlreichen Nebenschauplätzen tummeln. Das kostete Kraft, 2017 reihte sich Niederlage an Niederlage. Der mentale Fokus ging verloren. Kerber hätte auch sagen können: „Ok, genug. Ich muss mir und anderen nichts mehr beweisen.“ Stattdessen traf sie die Entscheidung, sich noch einmal neu zu erfinden und den Sprung ins kalte Wasser zu wagen: Sie setzte sich neue Ziele, verabschiedete sich von etablierten Trainingsmethoden und engagierte mit dem Belgier Wim Fissette einen neuen Coach.
Dieser Mut zur Veränderung hat sich für Angelique Kerber gelohnt. Das Finale von Wimbledon geriet zur taktischen Meisterleistung, auch wenn für ihre Gegnerin gerade einmal zehn Monate vergangen waren nach der Geburt von Tochter Olympia. Aber, hey, da stand Serena Williams auf der anderen Seite, nach Steffi Graf die beste Tennisspielerin dieses Planeten. Und sie hatte keine Chance. „Hier zu siegen ist der Traum aller Träume“, sagte Kerber, als die Tränen getrocknet waren, „das ist das Turnier der Turniere.“ Wimbledonsieger, wir Deutsche kennen uns da aus, haben denselben Status wie Olympiasieger: Ein Weltmeister bekommt irgendwann ein entzauberndes Ex- angeklebt. Wimbledonsiegerin bleibt man ein Leben lang.
Dass ihre Popularität denjenigen Türen öffnet, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, ist Kerber gleichermaßen bewusst. So nutzt sie ihre Rolle als UNICEF-Patin, um gegen Kinderarmut und für Mädchenrechte vorzugehen.
Damit erfüllt Kerber alle Kriterien, die unsere Auszeichnung „Sportler mit Herz“ – traditionell unterstützt von der Fraport AG – ausmacht: Menschlichkeit, Gemeinschaftssinn, Wertebewusstsein und soziales Engagement.