„Der eingebildete Kranke“ – eine Komödie des französischen Autors und Schauspielers Moliére
Heilt die Medizin die Kranken oder sind erkrankte Menschen vielleicht doch selbst für ihr Wohlergehen verantwortlich? In gewissen Maße hat sich der französische Dramatiker Molière dieser Sinnfrage in seiner Komödie „Der eingebildete Kranke“ gewidmet. Aber Moment mal: Ein Stück über Krankheit und Kranksein als Komödie? Ist das nicht ein bisschen schräg? Nein, ist es nicht. Zumindest dann nicht, wenn man die schauspielerischen Glanzleistungen der Beteiligten in diesem mitreißenden Stück erlebt.
Argan ist dieser eingebildete Kranke. Als Mann im mittleren Alter befindet er sich in einer Lebensphase, in der andere Menschen die Welt erobern. Er zieht es jedoch vor, sich ganz seiner Krankheit hinzugeben. Er schimpft über alle Personen, die sich in seinem Umfeld bewegen und ganz besonders hat er es auf seine Betreuerin Toinette abgesehen. Sie muss sich allerhand Beleidigendes von seiner Seite gefallen lassen, wird von ihm drangsaliert und sogar bedroht, weiß aber ganz genau, wie sie sich wehren kann. Was ihn dann aber noch mehr reizt und seine Krankheitsgefühle verstärkt.
Unterstützt wird Argan in seinem Bestreben, sich krank zu fühlen, von seinem Arzt, Monsieur Purgon. Dies ist insoweit nicht verwunderlich, als Purgon sehr gut von seiner Geldquelle Argan leben kann. Denn schließlich spülen all die undurchsichtigen Behandlungsmethoden des Arztes viel Geld in dessen Portemonnaie. Aber auch wenn Argan seinem Arzt vertraut und alle Behandlungen über sich ergehen lässt, dünkt es ihm, dass dies auf Dauer eine sehr teure Angelegenheit ist. Die Lösung für diese Problematik hat Argan aber bereits ersonnen: Thomas, der Sohn Purgons, soll seine Tochter Angélique heiraten. Denn wenn erst einmal ein Arzt zum Haushalt gehört, kann Argan viel Geld sparen. So ist zumindest seine Überlegung. Bei dieser Konstellation unterscheidet sich übrigens das Stück der Freilichtspiele Neuenstadt vom Original und gönnt sich damit einen Ausflug in den Bereich der künstlerischen Freiheit.
Die Rechnung hat Argan jedoch ohne seine selbstbewusste Tochter Angélique gemacht. Denn die denkt nicht daran, Thomas zu heiraten. Vielmehr ist der junge und attraktive Cléante das Objekt ihrer romantischen Sehnsucht. Dies wiederum bleibt Haushälterin Toinette nicht verborgen und so gibt diese der gebeutelten Tochter ein Versprechen: „Ich bin auf der Seite der Liebe. Ich stehe Ihnen bei.“
So nehmen die Verwicklungen, Wendungen und skurrilen Ereignisse im Haus Argans ihren Lauf. Toinette kennt die Eigenarten ihres selbsternannt kranken Chefs. Kreativ ist sie dazu und wird dann auch noch von Argans Bruder Béralde unterstützt. Gegen diesen geballten Aktionismus hat nicht einmal die zweite Frau Argans und Angéliques Stiefmutter Béline eine Chance. Diese hat eigentlich ganz eigene Pläne mit ihrem Gatten und hofft auf dessen baldiges Ableben. Ein schönes Erbe und wohltuender Reichtum ist ihr Ziel.
Dass sich letztendlich alles zum Guten wendet, überrascht nicht bei einer Komödie. Der Weg zum Happy End ist ein höchst abwechslungsreiches Erlebnis für die Besucherinnen und Besucher und ein Feuerwerk an schauspielerischen Glanzleistungen der Akteure des diesjährigen Sommerstücks der Freilichtspiele Neuenstadt.
Mit diesem Sommerstück unterstreicht das erfolgreiche Amateurtheater seinen Anspruch auf seinen festen Platz in der regionalen Kulturszene, die seit Jahrzehnten jedes Jahr viele tausend Besucherinnen und Besucher begeistert.
Molière und sein Stück „Der eingebildete Kranke“
Der Künstlername Molière steht für Jean-Baptiste Poquelin, einen französischen Autor, Schauspieler, Dramatiker und schließlich auch Theaterdirektor. Er lebte im 17. Jahrhundert und im Laufe seines 50-jährigen Lebens hat er zahlreiche, mehr oder weniger bekannte, Stücke geschrieben. Seine Komödie „Der eingebildete Kranke“ war ein Zeugnis der damaligen uneingeschränkten Gläubigkeit an die Macht der Medizin und der Ärzte. Als Molière das Stück schrieb, war er selbst schon erkrankt, wobei sich sein Gesundheitszustand immer weiter verschlechterte. Trotzdem ließ er sich nicht davon abbringen, die Hauptrolle des Argan zu übernehmen. In der vierten Vorstellung des Stücks erlitt Moliere einen Blutsturz und starb nur ein paar Stunden danach. Bei seinem Tod am 17. Februar 1673 in Paris befand er sich noch in seinem Kostüm.
Die Freilichtspiele Neuenstadt – Anspruchsvolles Amatheurtheater – Im Sommer auf der Bühne im Schlossgraben, im Winter im Kleinen Lindentheater oder auf der Jungen Kammerbühne
Die Freilichtspiele Neuenstadt wurden als Abteilung des Gesamtvereins Liederkranz 1835 e.V. Neuenstadt im Jahre 1958 gegründet. Seitdem sind sie ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens in der Region, mit einem Einzugsgebiet weit über die Region hinaus. Das Vereinsgelände liegt in Neuenstadt am Kocher zwischen dem Schlossgraben des Neuenstadter Renaissanceschlosses, der angrenzenden historischen Lindenanlage und dem Kocher-Jagst-Radweg. Jahr für Jahr finden mehrere tausend begeisterte Besucherinnen und Besucher ihren Weg zu einem der erfolgreichsten Amateurtheater in Deutschland. Der Verein führt seit 1958 in jedem Sommer Theaterstücke auf der Freilichtbühne im Schlossgraben auf. Das jährliche Sommerstück aus unterschiedlichsten Genres mit allein circa 20.000 Gästen ist legendär. Im Winter werden regelmäßig Stücke im Kleinen Lindentheater, der Zimmerbühne im Vereinsheim der Freilichtspiele, aufgeführt. Daneben bietet aber auch die „Junge Kammerbühne“ mit den jugendlichen Akteuren ein schauspielerisches Glanzlicht und die Kindergruppe vervollständigt das vielseitige Repertoire der Freilichtspiele. Mit Akteuren und Beteiligten aus nahezu jeder Altersklasse zeigen die Freilichtspiele Neuenstadt ihren familiären Charakter.
Darüber hinaus veranstalten die Freilichtspiele mit ihren Aktiven das ganze Jahr über jede Menge weiterer Events, wie z.B. Gastspiele, Feste, Shows, usw.
Die jüngsten Mitglieder werden in der Kindergruppe an das Theaterleben herangeführt. In der Jugendgruppe wird die Theaterausbildung fortgeführt. Die ehrenamtlichen Aktivitäten gehen weiter über junge Erwachsene bis hin zu rüstigen Senioren.
Chronik
In der historischen Grünanlage beim Schloss befand sich bis 1945 eine alte, tausendjährige Linde, die bei einem Gewittersturm kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Heute beeindruckt die Anlage vor allem mit ihren verzierten Steinsäulen, die das Gewicht der nachgezogenen Linden tragen und den „grünen“ Eingangsbereich zum Schlossgraben und den Aufführungen der Freilichtspiele Neuenstadt bilden.
Nachdem die Stadt nach dem Krieg zu 80% in Schutt und Asche gelegt war, wollte man beim Wiederaufbau den Burggraben des Schlosses mit Bauschutt auffüllen. Dazu kam es nicht, denn für ein Sängerfest, das der Liederkranz Neuenstadt 1951 ausrichtete, griffen eifrige Sänger und andere Helfer zu Spaten und Kelle und errichteten aufsteigende Sitzreihen. Eine Art Amphitheater entstand.
Der Liederkranz 1835 e. V. hatte aber nicht nur Sänger, sondern auch ambitionierte Schauspieler in seinen Reihen. Jedes Jahr führte man für die Weihnachtsfeier des Vereins im Saal des Gasthofes Stern ein Theaterstück auf. 230 Sitzplätze reichten bald nicht mehr aus.
Immer mehr Zuschauer wollten die Aufführungen sehen. So kam man auf die Idee, auch im Sommer zu spielen und dazu den Burggraben wiederzubeleben.
Im Sommer 1958 war es dann soweit. Mit dem Singspiel „Es zogen drei Burschen“ begann die seither ununterbrochene Tradition von Freilichtaufführungen auf der Bühne im Schlossgraben. Diese bietet Platz für über 800 Zuschauer.
Die Aufführungen locken zwischenzeitlich bis zu 22.000 Zuschauer jedes Jahr nach Neuenstadt. Das Einzugsgebiet der Freilichtspiele hat einen Radius von ca. 60 km im Umkreis der Kochertalstadt.
Spielzeit:
16. Juni bis 30. Juli, jeweils freitags, samstags, sonntags um 20:30
18.06. und 23.07. nur nachmittags um 17 Uhr,
Internet: www.freilichtspiele-neuenstadt.de
Fotos: Stefan Körner für Freilichtspiele Neuenstadt